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Quiz

6 Mythen zur Sprachentwicklung

Was muss ich tun, damit ein mehrsprachig aufwachsendes Kind in seiner Sprachentwicklung optimal gefördert wird? Welche Fallstricke sollte ich vermeiden? Ann-Katrin Bockmann von der Universität Hildesheim hat die bekanntesten Mythen auf den Prüfstand gestellt.

Kinder sitzen gemeinsam auf dem Boden, eins schaut in die Kamera.
© Stiftung Kinder forschen
Wieviele Sprachen können Kinder gleichzeitig lernen?

Was glauben Sie: Stimmen die folgenden sechs Aussagen oder nicht? Machen Sie den Test und überprüfen Sie mit einem Klick auf das ∨ Symbol, ob Sie richtig lagen.

1. Ein- und mehrsprachige Kinder sind in ihrer Sprachentwicklung gleich schnell.

Im Prinzip richtig!

Gelegentlich sind mehrsprachige Kinder zeitweise langsamer in der Sprachentwicklung, weil sie doppelt so viel lernen müssen. Meist holen sie die Rückstände aber schnell auf und erreichen die Meilensteile etwa im gleichen Alter wie einsprachige Kinder.

Literatur:
Chilla, Solveig. 2011. Bilingualer Spracherwerb. In: J. Siegmüller & H. Bartels (Hrsg.): Leitfaden Sprache-Sprechen-Schlucken-Stimme. München: Elsevier, 46-51.

2. Die Durchmischung von Sprachen bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern hat keine negativen Konsequenzen.

Richtig!

Das sogenannte "Code-Mixing" oder "Code- Switching" tritt oft bei mehrsprachigen Kindern auf und ist völlig normal. Es ist sogar eher eine wertvolle Funktion und Ausdruck hoher Sprachkompetenz. In der Regel lernen Kinder im weiteren Verlauf, die Sprachen deutlich zu trennen. Wenn sie das nicht können und die Sprachen weiterhin durcheinanderbringen, hat es meist eine andere Ursache.

Literatur:
Auer, Peter. 2009. "Competence in performance: Code-switching und andere Formen bilingualen Sprechens". In: I. Gogolin und U. Neumann (Hrsg.): Streitfall Zweisprachigkeit – The Bilingualism Controversy. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 91-110.
Paradis, Johanne, Genesee, Fred, & Crago, M. 2011. Dual language development and disorders: A handbook on bilingualism and second language learning (2nd Ed.). Baltimore, MD: Brookes Publishing.

3. Einsprachige Kinder haben weniger Sprachentwicklungsstörungen als mehrsprachige Kinder.

Falsch!

Sechs bis acht Prozent aller Kinder weltweit haben Sprachentwicklungsstörungen. Mehrsprachigkeit ist keine Ursache. Bei mehrsprachigen Kindern gilt: Das Problem (Faustregel: Weniger als 50 Wörter am zweiten Geburtstag, fast keine Zwei-Wort-Sätze, häufiges Benutzen von Lauten und Gesten) muss immer in beiden Sprachen auftreten, sonst ist es keine Sprachstörung.

Literatur:
Scharff Rethfeld, Wiebke. 2013. Kindliche Mehrsprachigkeit: Grundlagen und Praxis der sprachtherapeutischen Intervention. Stuttgart: Thieme.

4. Kinder sollten erst eine Sprache, ihre Muttersprache, richtig lernen und dann mit der nächsten beginnen.

Falsch!

Zwei Sprachen zu lernen ist für Kinder keine Überforderung, auch wenn das die Wissenschaft lange geglaubt hat. Alle Menschen sind prinzipiell dafür ausgestattet, mehrere Sprachen gleichzeitig zu lernen. Die Bedingungen sind bei Kindern unter drei Jahren sogar besonders günstig.

Literatur:
Chilla, Sibylle & Fox-Boyer, Annette. 2016. Zweisprachigkeit/Bilingualität. Ein Ratgeber für Eltern. 2., überarbeitete Auflage. Idstein: Schulz-Kirchner.

5. Die Aufgabe von Eltern mehrsprachig aufwachsender Kinder ist es so viel Deutsch wie möglich mit ihren Kindern zu sprechen, unabhängig davon, was ihre eigene Muttersprache ist.

Falsch!

Eltern sollten die Sprache sprechen, die sie selbst am besten beherrschen. Kinder brauchen korrekte Sprachvorbilder. Entscheidend ist die Wertschätzung der Sprache. Wer mit seinen Kindern zu Hause mühsam (schlechtes) Deutsch spricht, hilft ihnen nicht beim Deutsch lernen, wirkt aber im Zweifelsfall negativ auf ihre Muttersprachkenntnisse ein.

Literatur:
Chilla, Solveig. 2011. Bilingualer Spracherwerb. In: J. Siegmüller & H. Bartels (Hrsg.): Leitfaden Sprache-Sprechen-Schlucken-Stimme. München: Elsevier, 46-51.
Jenny, Claudia. 2008. Sprachauffälligkeiten bei zweisprachigen Kindern. Ursachen, Prävention, Diagnostik und Therapie. Bern: Huber.
Klassert, Annegret, Gagarina Natalia. 2010. "Der Einfluss des elterlichen Inputs auf die Sprachentwicklung bilingualer Kinder: Evidenz aus russischsprachigen Migrantenfamilien in Berlin". In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 4, 413-425.
Owens, Robert E. 2012. Language Development. An introduction. 8th edition. Upper Saddle River: Pearson.

6. Der Besuch einer Kita und der dortige Kontakt mit der Sprache reichen aus, um Deutsch zu lernen.

Im Prinzip richtig!

Ob diese Aussage stimmt, ist sowohl abhängig davon, wie oft und wieviel die Kita besucht wird – am besten möglichst frühzeitig und ausreichend viele Stunden – als auch von der Qualität des sprachlichen Inputs. Je besser der sprachförderliche Umgang in der Kita, desto einfacher und desto schneller kann ein Kind die Sprache lernen.

Literatur:
Chilla, Solveig. 2011. Bilingualer Spracherwerb. In: J. Siegmüller & H. Bartels (Hrsg.): Leitfaden Sprache-Sprechen-Schlucken-Stimme. München: Elsevier, 46-51.
Jenny, Claudia. 2008. Sprachauffälligkeiten bei zweisprachigen Kindern. Ursachen, Prävention, Diagnostik und Therapie. Bern: Huber.
Owens, Robert E. 2012. Language Development. An introduction. 8th edition. Upper Saddle River: Pearson.

Fazit von Ann-Katrin Bockmann

Porträtaufnahme von Ann-Katrin Bockmann. Sie trägt eine blaue Bluse und hat kurze, blonde Haare.
© Uni Hildesheim/Isa Lange
Ann-Katrin Bockmann

"Mehrsprachigkeit ist weltweit Normalität und in Deutschland hat inzwischen jedes dritte Kind einen Migrationshintergrund. Mehrsprachigkeit kann eine Chance werden, wenn wir sie als Schlüssel zu einer bunteren Welt begreifen. Auf jeden Fall ist sie keine Ursache für Sprachentwicklungsstörungen."

Ann-Katrin Bockmann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim und leitet die Projekte "IMPULS  – Sprache als Brücke zur Integration" und "Kea - Kinder entwickeln alltagsintegriert Sprache" sowie die Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche "KiM - Kind im Mittelpunkt".

INFO

Dieses Quiz stammt aus einem Vortrag von Ann-Katrin Bockmann, den sie beim zweiten Arbeitstreffen des Service-Portals Integration gehalten hat.

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