Direkt zur Hauptnavigation, zur Unternavigation dem Inhalt oder zum Seitenfuß

Tipps

Religion, Kultur und Traditionen der Yeziden

Nach Muslimen und Christen sind Yeziden die drittgrößte Religionsgruppe unter Asylbewerbern in Deutschland. Woher stammen sie und wie drückt sich ihre Kultur im Alltag aus? Wir haben die wichtigsten Informationen zusammengefasst.

Panoramaaufnahme des Tals von Lalish mit dem Grab von Scheich Adi
© Lamacchiacosta CC-BY-SA 4.0
Das Tal von Lalish im Nordirak mit der Grabstätte von Scheich Adi.

Die Basis

Das Yezidentum lässt sich als Religion gesichert bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen, ist aber wahrscheinlich deutlich älter. Die meisten Yeziden (geschrieben auch "Jesiden" oder "Eziden") sind Kurden und sprechen als Muttersprache Kurmandschi. Wie genau die Religion – in der sich Spuren mehrerer anderer Religionsgemeinschaften des Nahen Ostens finden ("Synkretismus") – entstanden ist, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Yeziden bis vor wenigen Jahrzehnten eine rein mündliche Kultur pflegten, in der es beispielsweise keine heiligen Schriften gibt.

Wichtigste historische Person und religiöse Autorität der Yeziden ist Scheich Adi bin Musafir (ca. 1075 – 1162). Seine Grabstätte im Tal von Lalish im Nordirak ist das geografische Zentrum der Religion und ein wichtiger Pilgerort. Wichtigstes religiöses Zeichen ist der blaue Pfau, Symbol des Engels Melek Taus, der von Yeziden verehrt wird.

Traditionen

Yeziden pflegen ein religiöses Klassensystem, in dem zwischen Laien (Miriden) und Klerus (Scheichs und Piren) unterschieden wird. Ein Wechsel zwischen den Klassen ist nicht möglich. Die Angehörigen des Klerus fungieren als spirituelle Mentoren der Laien. Jeder Yezide und jede Yezidin ist in diesem System einem Scheich oder Pir zugeordnet, der für ihn oder sie verantwortlich ist. Wenn Yeziden beten, dann in der Regel morgens und abends – diese Tradition unterscheidet sich oft nach Herkunftsland.

Die Yeziden sind in gewisser Weise sowohl eine Religionsgemeinschaft als auch ein Volk. Yezide oder Yezidin kann man nicht werden, sondern nur durch Geburt sein. Daher heiraten Yeziden traditionell nur untereinander ("Endogamie").

Verfolgung

In ihrer Heimatregion leiden die Yeziden schon immer darunter, dass sie eine doppelte Minderheit sind. Als Kurden sind sie eine ethnische Minderheit im Irak, in der Türkei, in Syrien und im Kaukasus. Innerhalb der sunnitisch geprägten muslimischen Kurden sind sie zusätzlich eine religiöse Minderheit und werden dort unter anderem als vermeintliche "Teufelsanbeter" verfolgt. In der yezidischen Theologie kommt die christliche oder islamische Figur des Teufels allerdings nicht vor.

Im August 2014 überfiel der Islamische Staat das Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden im Nordirak. Der Völkermord kostete 5.000 Menschen das Leben, 7.000 wurden versklavt. Über 400.000 Yeziden wurden aus ihrer Heimat vertrieben und flüchteten. Inzwischen leben nach eigenen Einschätzungen 190.000 bis 200.000 Yeziden in Deutschland.

In der Kita

Das Wichtigste, was pädagogische Fachkräfte verinnerlichen sollten, ist, dass Yeziden keine Muslime sind, auch wenn sie oft aus mehrheitlich muslimischen Ländern stammen. Es ist gut möglich, dass yezidische Kinder auf der Flucht und danach gelernt haben, ihre Religionszugehörigkeit aus Angst vor Diskriminierung für sich zu behalten.

Wer yezidische Kinder darin bestärken möchte, sich mit ihrer Religion auseinanderzusetzen und sie mit anderen zu teilen, sollte daher behutsam vorgehen. Unter muslimischen Kindern kann das Ärgern von Yeziden als angebliche "Teufelsanbeter" immer noch beliebt sein.

Gemeinsam feiern

Das Logo zeigt fünf aufeinander zulaufende Säulen und drei Punkte darüber
© ZÊD
Logo des Zentralrats der Êzîden in Deutschland

In der deutschen Diaspora haben Yeziden begonnen, sich aktiv und kritisch mit ihrer Religion und Identität auseinanderzusetzen. Unter anderem haben sie in einigen deutschen Städten, insbesondere in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, Kulturvereine gegründet. Seit Anfang 2017 existiert auch ein "Zentralrat der Eziden in Deutschland".

Diese neue Haltung öffnet auch die Tür für interkulturellen Austausch in Kitas oder Grundschulen. Gemeinsam feiern ließe sich zum Beispiel das yezidische Neujahrsfest, der "Rote Mittwoch" Çarşema Sor im April, bei dem – wie in den europäischen Ostertraditionen – bunt gefärbte Eier versteckt und von Kindern gesucht werden. Im Dezember feiern Yeziden zudem das Fest "Ida Ezî" ("Zu Ehren Gottes"), zu dem drei Wochen lang jeweils von Dienstag bis Donnerstag gefastet und Freitag gefeiert wird. Da Yeziden diese Feste unterschiedlich feiern, kann es sich lohnen, Kinder fragen, wie sie in ihrer Familie feiern.

Die Experten

Wir danken Prof. Dr. Andreas Ackermann, Professor für Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau, und Zemfira Dlovani, stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Eziden in Deutschland, für ihre fachliche Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels.

"Tal von Lalish" (cropped) von Lamacchiacosta unter Creative Commons BY-SA 4.0 Lizenz