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Erfahrungsbericht

Forschen und Feiern: Flüchtlingskinder zu Gast beim Forscherfest

Der muslimische Kindergarten Halima in Karlsruhe hat zum "Tag der kleinen Forscher" drei geflüchtete Kinder aus Syrien eingeladen und zeigt, wie viel Spaß das gemeinsame Forschen und Feiern machen kann - trotz Sprachbarrieren und ersten Berührungsängsten.

Zum Tag der kleinen Forscher stellen die Kinder ihre eigene Blubber-Limonade her
© Stiftung Kinder forschen
Die Sprachbarriere spielt hier keine Rolle - die kleinen "Geschmacksforscher" stellen ihre eigene Blubber-Limonade her

Gemeinsam feiern, forschen und Spaß haben

"Ich mix' mir das lecker!", kündigt der fünfjährige Emre* an, und kippt noch etwas Himbeersirup in die selbst gemachte Brause. Ohne den fruchtig-süßen Sirup schmeckt die blubbernde Limonade einfach zu sauer. Er rührt noch mal um, probiert einen großen Schluck und setzt den Becher mit einem beherzten "Ahh, jetzt schmeckt das" wieder ab. Als selbst ernannter Geschmacksforscher hilft er seiner Entdecker-Gruppe, die richtige Mischung zwischen süß und sauer, erfrischend-leicht und lustig-klebrig zu finden.

Nicht nur beim Limonade machen hat Emre an diesem Tag Gelegenheit, ungeahnte Talente zu entdecken: Der Kindergarten Halima in Karlsruhe hat sich zum "Tag der kleinen Forscher" viel vorgenommen. Das Motto 2016 lautet "Willst du mit mir feiern?" (2017 steht der Aktionstag unter dem Motto "Zeigst du mir deine Welt? Vielfalt im Alltag entdecken" dann ganz im Zeichen von Bildung für nachhaltige Entwicklung). Und so eine Feier muss natürlich gebührend vorbereitet werden. Außerdem braucht eine Feier Gäste und für die haben die drei Halima-Erzieherinnen und die Migrationsbeirätin der Stadt Karlsruhe, Najoua Benzarti, gesorgt. Feiern und Integration passen gut zusammen, dachten sie sich, und luden drei Flüchtlingskinder aus der Landeserstaufnahmeeinrichtung der Stadt ein. Das Ziel: gemeinsam feiern, forschen und Spaß haben.

Berührungsängste nehmen durch aktives Mitmachen

Najoua kümmert sich unter anderem um die Betreuung von Flüchtlingskindern, sie hat das Treffen möglich gemacht und die drei aus Syrien geflüchteten Kinder in die Kita begleitet: Said und die Geschwister Yasmin und Mohammed sind zwischen drei und acht Jahre alt und zunächst ziemlich schüchtern. Eine Dolmetscherin übersetzt für die drei, doch die Sprachbarriere steht zunächst als Hindernis im Raum. Um das Eis zu brechen, stimmt Najoua ein Kennenlern-Lied an. Jedes der Kinder wird von der Gruppe mit einem fröhlichen gesungenem "Halli, hallo!" begrüßt. Alle Namen können sich die Kinder natürlich nicht gleich merken, aber bei der gemeinsamen Vorbereitung der Feier bleibt noch genug Zeit, sich kennen zu lernen.

Zum Beispiel beim Backen. Als Erstes dürfen die Kinder messen, rühren und kneten. Auf den Tischen entdecken sie schnell die Zutaten: Salz, Zucker, Mehl, Wasser und Öl. Die Kita-Leiterin fragt nach der Hefe und alle Hände landen auf den kleinen, verpackten Würfeln. "Jetzt werden Brötchen gebacken", erkennt Nada. Die Kinder der Kita Halima wissen genau, was zu tun ist. Jeden Donnerstag backen die Kinder gemeinsam mit ihren Erzieherinnen. "An einem Dienstag geht das aber genauso gut", ruft Nada.

Weil Said, Yasmin und Mohammed zum ersten Mal selbst Brötchen backen, unterstützen die Kinder des Halima-Kindergartens, wo sie nur können. Aysha zeigt ihnen, was mit der Hefe passiert, wenn man Zucker und Wasser dazu gibt. Ahmed hilft beim Kneten des Teigs und Nada feuert vor allem an. Und wenn einmal etwas daneben geht, wird zusammen darüber gelacht. Der Hefeklumpen wird immer größer, und die Augen der Kinder auch. Die Begeisterung ist zu spüren, mit einem Mal ist es ganz ruhig im Raum. Doch das hält nicht lange an. Der Teig ist fertig und wird gut verschlossen auf die Fensterbank gestellt. Die Kinder nutzen die Zeit, um zu spielen, Lieder zu singen und miteinander zu reden. Die Sprachbarriere scheint dabei keine Rolle mehr zu spielen.

Kinderhände rollen Teig zu kleinen Schnecken
© Kinderhände rollen Teig zu kleinen Schnecken
Brezeln, Schnecken und Würste: Die Kinder sind schon richtige Profis im Brötchen backen.

Forschen und Entdecken bildet Sprache und Gemeinschaft

Das gemeinsame Entdecken und die Zusammenarbeit hat aus den Kindern offenbar ein Team geformt, sie verstehen sich, auch ohne eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Was dabei vermutlich hilft: Die meisten Kinder des Halima-Kindergartens haben selbst bereits erfahren, wie es ist, kein Deutsch sprechen zu können. Viele kamen ohne Deutschkenntnisse in den Kindergarten und mussten die Sprache erst neu lernen. Dank der intensiven Sprachförderung der Kita nach den SPATZ-Richtlinien konnten sich die meisten aber schon nach drei Monaten gut auf Deutsch verständigen.

Inzwischen ist der Brötchenteig aufgegangen. Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf die einzelnen Teigportionen, denn nun ist Kreativität gefragt: Jeder formt nach Lust und Laune. Die Kinder kneten Brezeln, Schnecken und Würste, ganz besondere Begeisterung lösen die Herzen aus. Als alle fertig sind, fragt Kita-Leiterin Mirela, was wohl mit der Hefe passiert, wenn man sie in Zuckerwasser gibt? Die Kinder überlegen nicht lang, schnappen sich die restliche Hefe, zerbröseln sie und geben sie konzentriert in eine Flasche. Dazu ein bisschen Zucker und Wasser, dann verschließen sie die Flasche mit einem Luftballon. Die kleine Nada spekuliert: "Ich denke, der Luftballon wird groß, der Teig wurde es ja auch." "Wir werden sehen", sagt Mirela. Die Kinderaugen fixieren gespannt die Flasche.

Blubberblasen und Luftballon-Quietschen

Als sich der Luftballon auf der Flasche fast zur Hälfte mit Luft gefüllt hat, die eigene Brause fertig ist und die frisch duftenden Brötchen aus dem Ofen kommen, ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. Die Kinder machen Blubberblasen mit dem Strohhalm und quietschen mit den übrig gebliebenen Luftballons. Manche widmen sich lieber den selbst gebackenen Brötchen. Said, Yasmin und Mohammed sind mittendrin und lachen mit den anderen Kindern um die Wette. "Wer quietscht wohl am lautesten?", fragt Abdul und beginnt die Luftballon-Öffnung lang zu ziehen, so dass ein hohes Quietschen entsteht. Mohammed nimmt die Herausforderung an, setzt mit ein und übertönt die anderen - alle lachen laut mit. Die Migrationsbeirätin Najoua ist glücklich: "Die Kinder freuen sich, wenn sie aktiv einbezogen werden und etwas selbst machen dürfen, man ihnen einfach etwas zutraut und zuhört, das gilt natürlich genauso für geflüchtete Kinder." Die drei Erzieherinnen sehen das ähnlich: "Jedes Kind möchte einfach gern lernen und forschen."

Emres so sorgsam abgeschmeckte Brause steht derweil halb voll und vergessen in der Ecke. Vielleicht war sie doch zu süß, vielleicht war der Tag aber auch einfach zu spannend für den selbst ernannten Geschmacksforscher.

* Namen der Kinder von der Redaktion geändert

INFO:

SPATZ ist eine vom Land Baden-Württemberg finanzierte Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf. Im Fokus steht die Zusammenführung von Sprachbildung im frühkindlichen Bereich durch vorschulische Hausaufgaben sowie Sprach- und Lernhilfen, die intensive Sprachförderung im Kindergarten und spielerische Sprachbildung durch Singen, Bewegen und Sprechen.