Direkt zur Hauptnavigation, zur Unternavigation dem Inhalt oder zum Seitenfuß

Erfahrungsbericht aus einer interkulturellen Kita

Sprachen sind Geschenke

In der Magdeburger Interkulturellen Kita werden zwei Dutzend Sprachen gesprochen. Förderung von Sprachen ist insbesondere in den jungen Jahren entscheidend, meinen die Mitarbeiterinnen. Wie können die zahlreichen Sprachen in den Kita-Arbeitsalltag integriert werden? Welche Methoden werden dabei genutzt? Wie wird das Deutsche spielerisch erworben?

Erzieherin spielt mit Kindern
© istock.com/Rawpixel

„Ich komme aus der DDR und weiß, wie wichtig es für mich gewesen ist, viel Kontakt zu anderen Kulturen der Welt zu haben. Es war immer mein Traum, dies in der Kita für die Kinder erlebbar zu machen“ sagt Claudia Rondio, Leiterin einer interkulturellen Kindertagesstätte in Magdeburg. Die Kinder wie auch das Team kommen aus einer Vielzahl an Ländern und bringen ihren größten Schatz mit – die Sprache.

Die interkulturelle Kita erstreckt sich in einer alten Magdeburger Stadtvilla auf über drei Etagen und beherbergt 75 Kinder. Zwischen 30% bis 40% von ihnen haben eine andere Muttersprache als Deutsch. Es mehren sich auch Kinder aus der Ukraine. Frau Rondio hat die Kita vor zwei Jahrzehnten gegründet. Ihr oberstes Ziel ist, „dass Menschen sich begegnen – egal woher sie kommen.“

Sprachförderung

Den Vorschulkindern werden einmal wöchentlich Angebote zur Förderung des deutschen Spracherwerbs gemacht. Da wird im spielerischen Umgang der Wortschatz erweitert und Grammatik geübt. Cornelia Zimmermann ist seit fünf Jahren im Team als Fachkraft für Sprachförderung: „Ich bin froh, dass wir im Moment noch das Sprachkita-Programm haben. Das erleichtert uns die Arbeit. Da kann man Extras machen, zu welchen die Pädagogen in ihrem Alltag gar keine Zeit haben.“ Für die Kinder werden Ordner angefertigt, die sie nach Hause mitnehmen können. Das macht zwar allen mehr Arbeit, so Frau Zimmermann, doch damit sehen die Eltern direkt, was in Bezug auf Sprachförderung gemacht wird.

Vielfalt an Sprachen im Arbeitsalltag

In der interkulturellen Kita werden über zwanzig Sprachen gesprochen. „Die Kinder erwerben ganz normal in ihrem Alltag die Sprache. Es bedarf dazu keiner Kurse“, hebt die Leiterin hervor. Sie sieht es als hilfreich an, wenn mehrere Kinder die gleiche Fremdsprache sprechen: „Es gibt die Befürchtung, dass sie sich nur in ihrer Muttersprache verständigen und das Deutsch nicht so gut erwerben. Das ist nach unserer Erfahrung Unsinn.“

Das Team wird dazu angehalten, mit den Kindern jeweils in ihrer Muttersprache zu sprechen, ergänzt ihre Kollegin Frau Zimmermann: „Das mehrsprachige Vorlesen hat bei uns einen hohen Stellenwert. Es ist für die Kinder ein großer Gewinn, die Sprachen wenigstens vom Klang her zu hören.“ Es geht nicht darum, die jeweilige Sprache zu lernen, sondern ein Gefühl dafür zu entwickeln und den unterschiedlichsten Klängen zu lauschen. Kinder lernen neue Sprachen am leichtesten in der frühen Kindheit, vor allem wenn sie an positive Erlebnisse gekoppelt sind. Die Kita fördert die Vielfalt der Sprachen, dennoch hat der Erwerb der deutschen Sprache Priorität, denn „in der Schule nimmt keiner mehr Rücksicht“, stellt die Erzieherin fest.

Das internationale Team

Erzieherin empfängt die Kinder in der interkulturellen Kita
© Mandala gGmbH

Das Personal kommt aus der ganzen Welt, von Aserbaidschan über Rumänien bis Vietnam. „Es ist bereits seit Jahren unser Anliegen, den Leuten eine Chance zu geben, Fuß zu fassen. Auch in einem interkulturellen Team“, sagt die Gründerin der Kindertagesstätte. Im Moment sind vor allem Erzieherinnen und Erzieher mit ukrainischen oder russischen Sprachkenntnissen gefragt. Sie helfen Kindern, wenn sie komplexere Themen beschäftigen, bei denen sie Redebedarf haben und unterstützen die Eltern, indem sie für Fragen zur Verfügung stehen.

Die größten Herausforderungen im Alltag

Der Träger Mandala hat zusätzlich eine Ankunfts-Kita vor allem für Kinder mit Fluchthintergrund eröffnet. Seitdem gab es einen enormen Zulauf an Pädagoginnen und Pädagogen bei Stellenausschreibungen. Auch von ukrainischen Interessenten wird Frau Rondio kontaktiert, die allerdings selten Nachweise haben: „Wer denkt schon daran, wenn das Haus bombardiert wird, die Zeugnisse mitzunehmen. Man packt vielleicht noch die wichtigsten Dokumente ein für die Flucht“. Die Besetzung der Stellen mit Personen mit Migrationshintergrund ist problematisch, sagt sie: „Mein Ärger seit Anbeginn ist, dass der pädagogische Wert der Fremdsprache nicht gesehen wird. Für die Kinder im Alltag ist es ein Geschenk, welches wir allerdings nicht annehmen dürfen. Das ist dramatisch. Wir hätten die Chance, dass wir was verändern, aber der politische Wille ist nicht da.“

Die Welt wächst zusammen

Die Kita-Leiterin Rondio spricht drei Sprachen und hat über 100 Brieffreunde aus der ganzen Welt. Sie möchte mit der Errichtung der interkulturellen Kita vor allem den Kinder aufzeigen, dass es auf der ganzen Welt großartige Menschen gibt „die sich auch verstehen können, wenn sie es wollen“. Denn in der frühen Kindheit erwirbt man am einfachsten Sprachen, wie auch das Einfühlungsvermögen für ein gelingendes Miteinander.